Instrumentalisten der Bayer-Philharmoniker und ihre Dirigentin Bar Avni besuchen Schulen und begeistern Schülerinnen und Schüler für die Musik und gemeinsames Musizieren.
Zwei Workshops fanden in diesem Jahr 2023 je am Freiherr-vom-Stein-Gymnasium und am Werner-Heisenberg-Gymnasium statt.
23. Februar 2023
von Monika Klein
Ein Dirigent muss korrekt den angezeigten Takt schlagen und dabei das Tempo angeben. Ein wenig herumfuchteln, das sieht eigentlich gar nicht so schwierig aus. „Es ist auf jeden Fall viel mehr Arbeit, als man denkt“, versichert die 15-Jährige Tosca, nachdem sie sich mit Beethovens „Ode an die Freude“ selbst als Dirigentin versucht hat. „Es ist sogar sehr anstrengend.“ Und ganz anders, als sie es sich vorgestellt hat, dabei hat sie Orchester-Erfahrung. Allerdings bisher auf der anderen Seite als Trompeterin. Beim Dirigier-Workshop im Werner-Heisenberg-Gymnasium war sie jetzt eine der wenigen Freiwilligen, die sich getraut haben, die Leitung eines kleinen Ensembles zu übernehmen.
Als „Orchester“ haben sich vier Mitglieder der Bayer Philharmoniker zur Verfügung gestellt und befolgen an Geige, Viola, Klarinette und Kontrabass ganz brav und genau, was vorne angezeigt wird. Und das ist eben deutlich mehr als nur das gemeinsame Tempo, wenn aus den abgedruckten Noten tatsächlich Musik werden soll. Wie man es anstellt, die Instrumentalisten dazu zu bringen, den Charakter der Musik zu erfassen und Gefühle auszudrücken, das zeigt Bar Avni den Schülern verschiedener Klassenstufen, die sich freiwillig für den Workshop gemeldet haben.
Bar Avni ist seit zwei Jahren die musikalische Leiterin der Bayer-Philharmoniker und ein echtes Energiebündel. Wenn sie Feuer, und niemand kann sich dem entziehen. Mit der gleichen Intensität animiert sie ihre Dirigier-Schüler und zeigt zugleich großes Verständnis dafür, dass es so viele Schüchterne gibt, die gerne alles aktiv verfolgen. Möchtest du nicht dirigieren? Dann bist du gaga“, scherzt Bar Avni mit den Jugendlichen. Schließlich ist es für sie die schönste Aufgabe überhaupt.
Dass ihr nicht nach vorne rennt, ist verständlich, denn man ist hier nackt“, unterstreicht sie die Einsamkeit des Dirigenten am Pult. Frisur, Kleidung, die Ohrringe, alles würde bewertet, auch was man macht – und was man nicht macht. „Die Menschen sind verrückt, sie gucken die ganze Zeit anstatt Musik zu hören“, meint die Fachfrau.
Im geschützten Musikraum trauen sich dennoch einige nach vorn. Johanna (12) hat vorher auf ihrem Platz schon die Schlagfigur für den Viervierteltakt probiert und meldet sich schließlich, um „Let it Go“, den Song der Eiskönigin aus Disneys „Frozen“, spielen zu lassen. Die Dirigierbewegung klappt fehlerfrei, aber es klingt noch recht langweilig. Deswegen verlangt Bar Avni, mehr aus der Musik rauszuholen. „Was passiert, wenn man mal die Melodie weglässt? Welche Gefühle sind da komponiert?“
Alle folgenden Bilder vom Workshop am Freiherr-von-Stein-Gymnasium
Von wegen nur Theorie: stART-Künstlerin Bar Avni zeigte Körpereinsatz bei der Zusammenarbeit mit den Gymnasiasten. Das kam an.
12. Januar 2023
von Monika Klein
„Das ist es, was Publikum mit uns macht. Auch ich war etwas aufgeregt“, erklärte Bar Avni im Musikraum des Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums den entscheidenden Unterschied zwischen interner Übungsrunde und Vorspiel. Mittwochmittag waren es nur wenige neugierige Beobachter, darunter Schulleiter Andreas Röhrig. Die waren jedenfalls total beeindruckt von dem aufmerksamen, rhythmischen Zusammenspiel der Schüler-Gruppe, die an zwei Vormittagen Grundlagen des Percussion kennengelernt und ein Stück mit verschiedenen Rhythmen und Effekten einstudiert hat, das Donnerstagabend beim Schulkonzert im ausverkauften Erholungshaus aufgeführt wird.
Bar Avni ist als Mitglied der stARTacademy von Bayer Kultur nicht nur Dirigentin der Bayer Philharmoniker, sie hat auch ein Schlagzeug-Studium absolviert. Außerdem ist sie eine extrem temperamentvolle und hellwache Persönlichkeit, die fordert, während sie fördert, und kurzes Abtauchen einfach unmöglich macht. Insofern waren die beiden ungewöhnlichen Unterrichtstage für die 16 Schüler der Klassen sieben bis zehn, die sich freiwillig für den Workshop „Rhythm and Groove“ angemeldet haben, ziemlich anstrengend, aber einzigartig.
Der Aufwand war gering. Jeder bekam ein Paar Sticks in die Hand, Holzplatten und Stahlrohrgestelle der Einzeltische waren das Schlagwerk und natürlich alles, was jeder so mit sich trägt, das Instrumentarium der Bodypercussion: Körper, Hände, Finger und Füße. Die sind still zu halten und nicht über den Boden zu schlurfen, erinnerte die Percussionistin zwischendurch. „Das alles ist ein Ton, und wir brauchen nur die Töne, die gewollt sind.“ Insofern waren die zwei Schulvormittage auch eine Übung in Selbstbeherrschung und -kontrolle. Abgesehen von Kompetenzen wie Teamgeist, Aufmerksamkeit und Verlässlichkeit, die trainiert wurden. „Ensemble-Spiel ist eine Schule für das Leben“, sagte Avni hinterher. Der Vorteil eines Percussion-Workshops ist, dass niemand Noten lesen oder ein Instrument beherrschen müsse, um mitmachen zu können. Natürlich seien die einzelnen unterschiedlich begabt, abgesehen davon waren auch einige darunter, die Schlagzeug-Unterricht haben, aber letztlich konnten alle folgen. Die Kursleiterin hat das Niveau entsprechend austariert und stetig den Gleichklang trainiert. Mal beim Tutti-Zusammenspiel, mal in Vierer-Gruppen. „Eckig denken, nicht rund“, ist einer ihrer Tipps. Hart und gleichmälsig muss der Puls durchlaufen, um darüber rhythmische Muster oder Soli zu schlagen, in dynamischen Abstufungen und auf unterschiedlich klingenden Materialien.
Der Renner war eine Akustik-Nummer mit klatschenden oder trommelnden Händen und einem Plastikbecher, der im Takt weitergereicht werden musste. Mit diesem Projekt setzt Bayer Kultur die Zusammenarbeit mit Schulen fort. Die Pandemie hatte das ausgebremst, aber nun gibt es neue Angebote, die Schulen kostenlos in Anspruch nehmen können, sagt Bayer Kultur-Mitarbeiter Christoph Böhmke. Der nächste Workshop mit Bar Avni im Freiherrvom-Stein-Gymnasium ist verabredet. Im Februar sind die Klassen fünf und sechs dran, dann geht’s ums Dirigieren.
Schüler des Heisenberg-Gymnasiums am Montagmorgen im Künstlergespräch mit Bar Avni (Mitte): Die Dirigentin der Bayer Philharmoniker ließ sich gerne rund ums Thema Musik und Dirigieren aushorchen. Foto: Miserius, Uwe (umi)
20. April 2023
von Monika Klein
Die kleine Taschenpartitur eines Orchesterwerkes haben die meisten Oberstufenschüler schon in der Hand gehabt, um ermessen zu können, was bei einer großen Sinfoniekonzert-Besetzung so alles gleichzeitig passiert. Und was ein Dirigent oder eine Dirigentin wie Bar Avni im Blick haben
muss. Einsätze geben, jeweils führende Stimmen herausfordern, um den roten Faden einer Komposition hörbar zu machen. Die Dirigentin der Bayer Philharmoniker hat ihre persönliche Dirigierpartitur entsprechend vorbereitet und mit Zeichen, Hinweisen und Anmerkungen versehen, so wie es alle ihre Kollegen machen.
Die hatte sie an diesem Montag im Werner-Heisenberg-Gymnasium dabei, um sie den 60 Oberstufenschülern der Stufen 10/11, die alle das Fach Musik gewählt haben, zu zeigen. In der ersten Schulstunde nach den Osterferien sprach sie dort über ihre Aufgaben als Dirigentin, beantwortete Fragen und bereitete die jungen Menschen auf ein konkretes Konzert vor.
Am Mittwochabend werden alle gemeinsam das Eröffnungskonzert des diesjährigen stART-Festivals von Bayer Kultur im Erholungshaus besuchen.
„An unserer Schule gehen wir grundsätzlich mit allen Musikkursen der Oberstufe mindestens einmal pro Schuljahr in ein Konzert“, erklärt Musiklehrerin Lisa Eisenberg das Konzept des Heisenberg-Gymnasiums. „Wer Musik wählt, geht auch in Konzerte an einem außerschulischen Lernort.“ Ein besonderes Erlebnis vor allem für jene, die das privat nicht erleben. „Horizonte öffnen“ sei Aufgabe der Schule. Normalerweise begleitet sie die Schüler, etwa zu Veranstaltungen nach Köln in die Philharmonie fahren. Dieses Mal wird sie nicht mit ihnen im Saal sitzen, sondern vorne auf der Bühne. Denn als Geigerin ist sie Mitglied der Bayer Philharmoniker. Als Lehrerin unterstützt sie gerne die Education-Projekte,
die das Orchester unter der Leitung von Bar Avni aufgelegt hat.
Beispielsweise gab es in diesem Jahr schon einen Percussions- und einen Dirigierworkshop mit ihr sowohl am Heisenberg- als auch im Freiherr-vomStein-Gymnasium, wo Musikerkollege und Orchestervorstand Benjamin Müllenmeister unterrichtet. Der direkte Draht zu den Schulen ist natürlich hilfreich. Anders als bei den Workshops, für die sich Interessierte freiwillig bewerben konnten, fand das Dirigentinnengespräch in der planmäßigen Musikstunde für alle statt. Man probiere eben verschiedene Modelle aus, erklärte Lisa Eisenberg. Gestern erzählte die Dirigentin von der intensiven Probenphase kurz vor dem Auftritt. Das ist zum Schluss immer so, aber dieses Mal ist das Programm besonders anspruchsvoll. Eine Herausforderung konnte die Lehrerin als Orchestermitglied direkt bestätigen, aber: „Wir wachsen an unseren Aufgaben.“
Die „Verklärte Nacht“ von Arnold Schönberg im Zentrum des Programms ist ein frühes Werk des Komponisten, noch in der spätromantischen Tradition geschrieben, also nicht atonal. Bar Avni besprach mit den Schülern gestern das zugrunde liegende Gedicht von Richard Dehme. Die Sopranistin Fatma Said, in der Start-Academy von Bayer Kultur gefördert, wird unter anderem die 12 Lieder von Felix Mendelssohn Bartholdy singen. Außerdem haben die israelische Dirigentin und die arabischstämmige Sängerin jeweils eine Komposition aus ihrer Heimat in das interkulturelle Programm aufgenommen.
Prof. Dr. Notker Polley
Vorsitzender
Am Kapellengraben 97
40670 Meerbusch
Christoph Müller (stellv. Vorsitzender) Gottfried Hallbach (Kassenwart) Jonas Lefers (Disponent) Benjamin Müllenmeister (Notenwart)
© Gerhard Wansleben, alle nicht gekennzeichneten Bilder von Heike Söth